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Rethinking Erziehung, Bildung und Betreuung  

Expertise zur Trias im Feld der Kindheitspädagogik 

Kaum ein pädagogisches Handlungsfeld hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten derart rapide verändert wie das System der frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung (FBBE). Mit dieser Veränderung wachsen auch die gesellschaftlichen Erwartungen, die an dieses System gerichtet werden. Auch wenn so z.B. Prävention, Kinderschutz und basale Hilfen sowie Familienbildung und -beratung Teil des komplexen und multifunktionalen Arbeitsauftrages geworden sind, wird dieser doch zentral über die pädagogische Trias (§ 22 (3) SGB VIII) Bildung, Betreuung und Erziehung gefasst. 

Der Besuch einer Kindertageseinrichtung ist mittlerweile ein selbstverständlicher Abschnitt im Aufwachsen von Kindern. Rund 93 % aller Kinder zwischen drei und sechs Jahren werden institutionell betreut (Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung 2022). Auch bei den unter-dreijährigen Kindern ist ein erheblicher Anstieg der Quote auf zuletzt 34 % zu verzeichnen (ebd.). Insgesamt steigen die gesellschaftspolitischen Erwartungen an die hierüber firmierte institutionelle Ausgestaltung und Begleitung des Aufwachsens von Kindern, was nicht nur zu einer Ausdifferenzierung der Angebote führt, sondern zugleich auch zu einer Verschiebung in der Gewichtung der pädagogischen Trias Bildung, Betreuung und Erziehung. Wie das Verhältnis von Bildung, Betreuung und Erziehung jedoch erziehungswissenschaftlich grundgelegt werden kann und welche Diskurse zu Verschiebungen innerhalb dieses Verhältnisses führen, ist bislang wenig ausführlich diskutiert. Zur Diskussion dieser Fragen möchte die Expertise anregen.

In der für den Pestalozzi-Fröbel-Verband und durch das BMFSFJ geförderten fachwissenschaftlichen Expertise, die das ITES unter der Autor*innenschaft von Ina Kaul, Peter Cloos, Stephanie Simon und Werner Thole erstellt hat, wird ein erweiterter Bildungsbegriff für die Kindheitspädagogik diskutiert. Ausgehend von einer differenzierten Betrachtung der Begriffe Betreuung und Erziehung erörtert die Expertise einen erziehungswissenschaftlichen Bildungsbegriff, macht diesen für kindheitspädagogische Handlungsfelder (auch praktisch) anschlussfähig und erweitert diesen über aktuelle kindheitspädagogische Diskurse. Kritisch geprüft werden zugleich auch die bildungs- und gesellschaftspolitischen Aspirationen und Implikationen, die mit Bildung in der Kindheit verbunden sind.

Damit wird nicht nur vor dem Hintergrund gesellschaftlicher und strukturell-organisatorischer Rahmenbedingungen Bildung ins Verhältnis zu Erziehung und Betreuung gesetzt, sondern Zugänge zu Bildung auch theoretisch und empirisch unter Berücksichtigung verschiedener klassischer und neuerer (kindheitspädagogischer) Perspektiven diskutiert. Dabei werden die Potenziale und Grenzen der Zugänge herausgearbeitet und die Herausforderungen erörtert, die sich für eine Anschlussfähigkeit in der Kindheitspädagogik ergeben. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, welche Rahmungen und welches Bildungsverständnis für Kindertageseinrichtungen in den Ausführungsgesetzen der Länder angelegt werden und wie sich hierüber das Verhältnis zu Schule und Familie lesen lässt. Nicht zuletzt geht es darum der Frage nachzugehen, inwiefern ein eigenständiger, gesellschaftstheoretisch informierter und erziehungswissenschaftlich konturierter Bildungsbegriff für kindheitspädagogische Institutionen formuliert werden kann. 

Die gesamte Expertise kann hier nachgelesen werden.

Literaturverzeichnis

Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung (2022): Bildung in Deutschland 2022. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zum Bildungspersonal. Bielefeld: wbv Publikation.

Autor*innen-Profil

Dr. Ina Kaul ist
Gastprofessorin der Universität Kassel im FB01 I Institut für Sozialwesen für das Fachgebiet Theorie, Organisation und Praxis der Kinder- und Jugendhilfe.
Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind: Handlungsfelder der Kindheitspädagogik I Bildung I Biographieforschung I Professionalisierung I Didaktik sozialpädagogischer Handlungsfelder.

Autor*innen-Profil
Peter Cloos
Peter Cloos

Peter Cloos, Dr., ist Professor für Pädagogik der frühen Kindheit an der Universität Hildesheim und ist Sprecher des Kompetenzzentrums Frühe Kindheit Niedersachsen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Erziehung und Bildung in Kindertageseinrichtungen, Qualitative Forschungsmethoden (der Pädagogik der Kindheit), institutionelle und situative Übergänge im Lebenslauf und Alltag von Kindern und professionelles Handeln in Arbeitsfeldern der Pädagogik der frühen Kindheit.

Autor*innen-Profil

Stephanie Simon ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Pädagogik der frühen Kindheit (ISEP) der TU Dortmund.
Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Armut und soziale Ungleichheiten, Deutungen von Bildung & Erziehung, Kindheitsforschung, qualitativ-rekonstruktive Sozialforschung.

Autor*innen-Profil

Prof. Dr. phil. habil. Werner Thole war bis 2021 Hochschullehrer für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Soziale Arbeit und außerschulische Bildung am Fachbereich Humanwissenschaften der Universität Kassel.
Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind: Jugend und Kindheit, Kinder- und Jugendhilfe, Professionalisierungs-, Kindheits- und Jugendforschung, Theorie und Praxis der Sozialpädagogik, Strukturen und Praktiken pädagogischen Handelns.

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